Melting Ink | Dominik Graf

Kann der Wert eines Werkes durch die politische Integrität seines Autors beeinflusst werden? Kann ein Autor in einer Diktatur politisch nicht engagiert sein? Können wir heute Schriftsteller beurteilen, die sich nicht vom Nazi-Regime in Deutschland distanziert haben? Im Interview mit Pamela Jahn geht Dominik Graf auf diese Fragen ein, die im Mittelpunkt seines neuen Films «Melting Ink» stehen, und bekennt sich gegenüber FILMEXPLORER unter anderem zu seiner Position: «Ich hoffe, dass diese etwas kindische Identifikation der Biografie mit dem Werk sich aus den Köpfen der Menschen löst.»

Text: Pamela Jahn

Kann der Wert eines Werkes durch die politische Integrität seines Autors beeinflusst werden? Kann ein Autor in einer Diktatur politisch nicht engagiert sein? Können wir heute Schriftsteller beurteilen, die sich nicht vom Nazi-Regime in Deutschland distanziert haben? Diese Themen stehen im Mittelpunkt einer eingehenden Untersuchung dieser Schriftsteller, die von Dominik Graf unter Mitwirkung von Anatol Regnier und seiner beeindruckenden Studie Jeder schreibt für sich allein auf die Leinwand gebracht wird. Der Informationsgehalt von Melting Ink ist nicht nur von historischem, sondern auch von aktuellem Wert, da Zensur, Selbstzensur und autoritäre Demokratien einen immer grösseren Raum in der heutigen Gesellschaft einnehmen. Eine humanistische und unideologische Aufmerksamkeit für die Komplexität der verschiedenen analysierten Fälle macht die Vielfalt zum Markenzeichen dieses neuesten Films des deutschen Regisseurs, der selbst stark von Autoren wie Erich Kästner oder Gottfried Benn beeinflusst war. Und Vielfalt steht auch für den Stil eines Films, der formal eklektisch, nonkonformistisch, frei, zugleich wissenschaftlich und persönlich, dokumentarisch und essaystisch ist.

Für FILMEXPLORER traf Pamela Jahn Dominik Graf, um mit ihm über sein Verhältnis zur Literatur, seine Positionierung zur ethischen Frage und über die Konstruktion dieses einfachen und zugleich komplexen Films zu sprechen.

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Interview mit Dominik Graf

Pamela Jahn (PJ): Herr Graf, Ihr Film setzt ein mit einer Reihe von Bildern, die einsame, oft einzelne Schuhe auf Strassen und an Wegrändern zeigen. Wann haben Sie den letzten Schuh gefunden?

Dominik Graf (DG): Neulich habe ich wieder einen gesehen. Das war sogar ein Paar, und das stand so da, als könnte man es abholen. Ich glaube, es waren Frauenschuhe. Überhaupt sind nur einige der Schuhe, die man im Film sieht, inszeniert, die anderen habe ich in der Vergangenheit fotografiert.

PJ: Sie stellen dem Film- und Fernsehproduzenten Günter Rohrbach im Film zwei Fragen, die ich einleitend auch an Sie richten möchte: Welche Bücher haben Sie in Ihrer Kindheit gelesen? Und was waren Ihre eindrucksvollsten Leseerlebnisse?

DG: Ich bin in einem sehr literaturinteressierten Haushalt aufgewachsen. Meine beiden Eltern waren Schauspieler und dementsprechend an hochwertiger Literatur interessiert. Ich habe gelesen, was Günter Rohrbach gelesen hat, Ivanhoe, die Lederstrumpf-Romane und mit grosser Begeisterung Karl May, aber dann relativ früh auch Die Buddenbrooks – natürlich auf Anraten meiner Eltern hin. Überhaupt ist meine leserische Biografie insgesamt sehr stark durch meine Mutter geprägt: Joseph Conrad, Henry James, irgendwann auch Proust, also gewissermassen die oberste Liga.

PJ: Wie hat sich Ihr Blick auf Literatur im Verlauf Ihrer Karriere verändert?

DG: Ich habe zunächst hauptsächlich Action- und Genrekino gedreht, da waren es, wenn es literarische Vorbilder gab, vor allem die amerikanischen Autoren und speziell in Westdeutschland der Thriller-Könner Uwe Erichsen, der Die Katze geschrieben hatte. Und als die Träume vom Genrekino hier immer schwieriger wurden, bin ich in den letzten Jahren allmählich zu Biografie-Filmen über deutsche Schriftsteller übergegangen. Brentano, Schiller, alles glückliche Produktionszufälle. Daneben habe ich drei Henry-James-Kurzgeschichten verfilmt. Das wollte ich ursprünglich schon sehr früh mal machen, musste mir aber am Anfang meiner Karriere eingestehen, dass ich solche Subtilität noch gar nicht konnte. Und Erich Kästner stand auf meiner Wunschliste immer ganz weit oben.

PJ: Warum?

DG: Weil ich das Gefühl habe, dass Kästner bei mir mit Fabian eine Lebenslinie gekreuzt und etwas zum Schwingen gebracht hat. Das fing bei der ersten Lektüre in den 1970er-Jahren an, da war der Roman plötzlich wieder hip; 1980 gab es dazu die erste Verfilmung von Wolf Gremm. Und als das Buch 2012 mit der integralen Version neu aufgelegt wurde, begannen erneut mehrere Produzenten die Finger danach auszustrecken. Das war dann auch für mich eine Chance, meine Jugendliebe zu diesem Stoff noch mal zu erneuern. Und natürlich öffnete mir die Arbeit an Jeder schreibt für sich allein neben Anatol Regniers Sicht auf die Dinge noch einmal ein Panorama schwieriger deutscher Autoren und Autorinnen. Und Kästner, der ja auch dazugehört, konnte ich dabei noch mal besonders ans Herz zu drücken.

PJ: Was haben Sie über Kästner erfahren, dass Ihnen im Vorfeld vielleicht nicht bekannt war?

DG: Ich war nicht so sehr mit seinem Werk vertraut, dass mir die Doppelgänger-Struktur seiner Psyche und einiger seiner Bücher bewusst gewesen wäre. Das kommt auch in Anatols Buch nicht vor, ich bin im Laufe der Recherchen darübergestolpert. Aber es passt natürlich wie die Faust aufs Auge, die Wandlung ist ja offensichtlich bei ihm. Dieses Immer-melancholischer-Werden, diese Trauer, die nicht eingelösten Versprechen. Da ist etwas passiert in einem frechen, schnippischen, ehrgeizigen, charmanten jungen Mann, der nach dem Krieg in irgendeine Art von Starre verfallen ist. Das hat mich in der Schärfe und Deutlichkeit schon überrascht.

PJ: Stimmt es, dass Sie Kästner einmal persönlich begegnet sind?

DG: Ja, ich habe mit elf Jahren einen Vorlesewettbewerb in München gewonnen, damals sass er in der Jury. Meine Mutter kannte ihn aus ihren Kabaretttagen der frühen 1950er-Jahre und hat ihn nach der Veranstaltung sofort in Beschlag genommen. Während sie auf ihn einredete, schaute er mich ab und zu leicht mitleidig an, aber wirklich wohlmeinend. Deshalb finde ich auch Anatols Feststellung umso interessanter, dass er in Wahrheit ein ziemlicher Kinderhasser war. Eigentlich absurd. Aber man merkte ihm schon damals, Mitte der 60er, an, dass er angeschlagen war.

PJ: Ihr Dokumentarfilm ist eine grosse Fundgrube für jeden, der oder die sich mit deutscher Literatur beschäftigt. Gab es noch andere Details, die Sie überrascht haben?

DG: Es gab vieles in Anatols Buch, das mir nicht bekannt war. Er hat insgesamt ungefähr 50 Schriftsteller:innen von 1933 bis 1945 chronologisch untersucht. In gewisser Weise fliesst er wie in einem Strom durch die Geschichte. Ganz anders als ich, der im Film gerade mal ein paar kleine Lebenshügel schafft. Da waren natürlich viele Namen dabei, die ich kannte, aber welche bizarren, seltsamen Schicksale sie hatten, das war mir neu. Gottfried Benn und die Geschichte um die Akademie der Künste war mir in der Härte nicht bewusst. Und dann natürlich später auch die Auseinandersetzung zwischen den Emigranten und den Dagebliebenen, dieses Rechthaben von beiden Seiten und diese fast Verachtung von den einen für die, die gegangen sind, und von den anderen für die, die geblieben sind. Das ist ein eigener Kriegsschauplatz, da geht es um Haltungen, um Strategien, natürlich auch um Leugnungen. Aber man muss sich natürlich auch die Frage stellen, was hätten wir denn gemacht? Insofern war es eine Gesamtlebenserfahrung für mich, zuerst das Buch von Anatol zu lesen und dann zu versuchen, den Stoff in seinem Innersten auf einem Film zu übertragen.

PJ: Wonach haben Sie speziell die Schriftsteller:innen ausgewählt, die Sie im Film beleuchten?

DG: Nach den Konflikten, die mir am härtesten erschienen, oder auch am menschlichsten. Denn der, der sich den Nazis andient, ist ja auch eine Figur, ein Mensch, den man aus jeder Gesellschaft kennt. Einer der denkt, diese Scheiss-Demokratie hat mir sowieso nicht gefallen. Jetzt kommt eine neue Zeit, und dafür bin ich doch der richtige Mann – ja, von wegen. Und dann ist da der andere, der in die sogenannte innere Emigration geht. Aber es gab natürlich auch so Figuren wie Ina Seidel, die in ihrer Ratlosigkeit und Unschlüssigkeit plötzlich mit Begeisterung die blauen Augen vom Führer bewunderte. Irgendwie hat man das Gefühl, das darf man nicht einfach nur verachten, sondern man muss versuchen, es zu verstehen. Das sind ja keine dummen Menschen gewesen. Andererseits war es mir wichtig, dass man gleichzeitig komplett in die Nazi-Literatur eintaucht, wie beispielsweise mit Hanns Johst. Und schliesslich, das war schon in Anatols Buch die grosse Überraschung, die Geschichte um Bernward Vesper, Sohn des nationalsozialistischen Schriftstellers und Lyrikers Will Vesper, und die Einträge von Gudrun Ensslin in das Gästebuch vom Gut Triangel, wo Vespers Vater lebte. Das war natürlich ein Glücksfall und ist in gewissem Sinn auch eine Rundung der ganzen Geschichte, um zu sagen, Leute, vielleicht ist es ja jede Ideologie, die sich am Ende in Hass und Mord entlädt.

PJ: Was haben Sie selbst von Gottfried Benn gelesen?

DG: Seine Gedichte, früh vermittelt über ein wahnsinnig gutes Buch von Walter Jens über die moderne Literatur des 20. Jahrhunderts. Schon bei der Lektüre von Jens’ Buch habe ich gedacht, das klingt ja toll, und habe dann selbst vor allem die frühen Sachen von Benn gelesen, diese Arzt-Poeme, von Astern, die im Brustkasten der Leichen blühen. Das fand ich schon atemberaubend, begeisternd, frei assoziierend, völlig neu, sensationell, wie ein Jazz-Saxofon-Solo von John Coltrane, nur eben als Gedicht.

PJ: Kann beziehungsweise muss man Ihrer Ansicht nach das Werk von der Biografie des Künstlers trennen?

DG: Ich hoffe, dass diese etwas kindische Identifikation der Biografie mit dem Werk sich aus den Köpfen der Menschen löst. Also diese Vorstellung, dass die Werke eines Künstlers, der sich etwas hat zuschulden kommen lassen, zwangsläufig schlecht sein müssen. Weil das natürlich kompletter Blödsinn ist. Wie heisst es im Lateinischen noch gleich: ars longa, vita brevis. Man weiss, ja, Menschen, die grosse Kunst schaffen, sind manchmal auch Arschlöcher. Schwieriger wird es, wenn sie Propaganda-Kunstwerke geschaffen haben, die sind leichter zu verurteilen. Aber selbst da gibt es Werke, deren Faszination man sich nur schwer entziehen kann. Und auch damit sollte man ehrlich umgehen, anstatt mit weltanschaulichen Moralkeulen auf die Künstler oder vielmehr auf die Kunstwerke einzudreschen. Ich verstehe, wenn eine Generation sozusagen die korrekte Moral als ein für sich entdecktes Geschäftsmodell durchzieht. Das Traurige daran ist, dass es eine völlige Verengung der Weltsicht nach sich zieht. Man kann dann überhaupt nichts mehr akzeptieren, ausser das, was auf dem dünnen Pfad der Hochmoral wandelt. Und ich glaube übrigens auch, dass die Filme, die auf diesem Pfad gemacht werden, schlechter werden, weil sie gar nicht mehr den gesamten Lebensausdruck zeigen dürfen, denn das ist ja des Teufels. Das Leben wird zensiert.

PJ: Sie haben erst Germanistik und Musikwissenschaft studiert und dann Film. Wieso sind Sie umgeschwenkt?

DG: Germanistik war eine Verlegenheitslösung, ich habe mich zwar für Literatur interessiert und selbst Musik gemacht, aber im Grunde bin ich zwei Jahre lang rumgesessen und hab mich gefragt, was ich wirklich machen soll. Und schliesslich hat mich die Begeisterung für das Autorenkino der damaligen Zeit gepackt. Allerdings nicht für das deutsche Autorenkino wohlgemerkt, sondern für das französische: Éric Rohmer und Jean Eustache, Truffaut und Godard. Mit diesem Kino im Kopf bin ich dann an die Filmhochschule in München gekommen – aber die waren wieder ganz woanders. Sie waren in der amerikanischen Klassik gelandet, im Westen, bei John Ford, und das war für mich erst mal verstörend. Es hat trotzdem seine Folgen gehabt, weil ich dort Genre gelernt habe, was das ist, was das leisten kann. Und dann, als ich mit meinen ersten Filmen wirklich immer wieder gegen die Wand gefahren bin, weil ich es einfach nicht geschafft habe, ein leichtfüssiges französisches Konversationskino hinzukriegen, bin ich auf ein quasi letztes Angebot aus der Bavaria für eine Vorabendserie über einen sehr lebensnahen Kommissar, einen Strassenhund, eingegangen. Das war Der Fahnder, und es war meine Chance, eine völlig andere Welt zu entdecken, und plötzlich hat das Filmemachen irgendwie funktioniert.

PJ: 1988 haben Sie Die Katze mit Götz George und Gudrun Landgrebe gedreht, einen Film, den es so in Deutschland bisher nicht gab. Was war das Besondere daran?

DG: Es war ein toller, schmutziger Stoff, George konnte sich hier jenseits der Schimanski-Festlegung anders zeigen. Alles daran war Schweiss und Blut und grosses Verlierertum. Und über das psychologische Geiseldrama hinaus war zudem ein hohes Mass an inszenatorischem Handwerk gefragt, es gab im Drehbuch relativ raffinierte Actionszenen. Am Ende war ich ehrlich gesagt komplett k. o. und eher überrascht, dass wir das gemeinsam zustande gebracht haben.

PJ: Sie haben Ihren Schiller-Film bereits erwähnt, auch die Henry-James-Adaptionen und natürlich Kästners Fabian. Was ist das Geheimnis von guten Literaturverfilmungen?

DG: Es kommt immer auf die Literatur an. Die meisten Leute in der Branche sind der Meinung, dass man richtig gute Literaturverfilmungen nur aus literarisch schwachen Büchern machen kann, und zum Teil ist das sogar richtig. Aber wenn es um Hochliteratur geht, ist das noch mal eine eigene Liga. Was speziell Kästner angeht, habe ich mich beispielsweise verpflichtet gefühlt, den Erzähler, der bei ihm immer wichtig ist, der immer mitspielt, unbedingt in den Film mit einzubringen. Weil ich auch seine Sprache so sehr mag, wollte ich nicht nur eins zu eins eine realistische Inszenierung machen, sondern eine Erzählung, bei der der Schöpfer von oben mit zuschaut. Denn Kästner, der ja zu Lebzeiten auch selbst in den Verfilmungen seiner Werke aufgetreten ist, hatte immer eine Tendenz zur Überhöhung, zum Blick vom Balkon nach unten. Und so habe ich das auch in Fabian umzusetzen versucht, obwohl diese Art der Überhöhung dem Roman gar nicht eingeschrieben ist. Aber die Off-Texte waren ein Versuch, seiner speziellen Literatur in jeder Hinsicht Genüge zu tun.

PJ: Dieser Respekt für die Vorlage, wie weit würden Sie dafür gehen?

DG: Ich habe einmal einen sehr langen Artikel über Literaturverfilmungen geschrieben und in dem die absurde Position eingenommen, dass jeder Film nach einem grossen literarischen Buch eigentlich genauso lang sein sollte, wie es dauert, das Buch zu lesen. Das ist natürlich extrem oder radikal, aber es bezeichnet das, was ich meine. Man kann sich als Filmemacher nicht ein Werk wie Under the Volcano von Malcolm Lowry vornehmen und einfach nur den Plot erzählen. Man muss meiner Ansicht nach auch die Extravaganzen, die Spaziergänge, die Energie, die der Autor in die Seitenwindungen der mexikanischen Geschichte legt, im Film widerspiegeln. Das ist andererseits aber ganz klar eine Anleitung zum Unglücklichsein. Denn der Film könnte zwar vieles von dem, was die Literatur kann, umsetzen, aber dafür muss man zu radikalen erzählerischen Mitteln greifen. Und die sind meistens verpönt.

PJ: Gibt es Regisseur:innen, die das Problem Ihrer Ansicht nach besser gemeistert haben als andere?

DG: Alain Resnais hat es zum Beispiel geschafft, von grossen Autor:innen Drehbücher schreiben zu lassen, die absolut literarisch sind, und dann hat er sie nach einem exakt vorgegebenen Einstellungsplanung gedreht, damit jeder Film am Ende hundertprozentig das Drehbuch wiedergab. Obwohl die Vorlage keine Literatur war, sondern lediglich ein Originaldrehbuch, sind diese Filme die beste Anleitung, wie man Hochliteratur filmen sollte. Aber diese geniale Methode darf man gar nicht kopieren, denn bei Minderbegabten kommt vermutlich nur Mist raus.

PJ: Der Konflikt zwischen Anpassung und künstlerischer Integrität, der das Leben der Schriftsteller:innen während des Zweiten Weltkriegs bestimmte, ist nicht auf die damalige Zeit beschränkt. Es ist ein Kampf, dem auch Sie sich im Laufe Ihrer Karriere immer wieder stellen mussten. Wie bewusst war Ihnen diese innere und äussere Auseinandersetzung mit dem System, in dem Sie Ihre Filme gedreht haben?

DG: Ich habe viel von den älteren Studierenden an der Filmhochschule gelernt, die damals in den ersten Kursen gemeinsam mit Wim Wenders waren und die es später in der Bavaria geschafft haben, die Vorabendserien und Tatorte neu zu erfinden. Das heisst, meine ersten Arbeiten entstanden sozusagen im Verbund mit Gleichgesinnten, die alle das deutsche Autorenkino zutiefst verachteten und die das Fernsehen zur Verwirklichung ihrer Genre-Träume nutzten. Und das öffentlich-rechtliche Fernsehen spielte mit. Mit anderen Worten: Die Fernseharbeiten waren Schmuggelware, und ich glaube, das war von Anfang an auch die Idee dieser Macher von Schimanski und Co., und ich bin überrascht, dass die Filmstudent:innen heute nicht auch alle Schmuggler sind, sondern dass sie stattdessen möglichst kulturell hochwertiges Festivalkino machen wollen.

PJ: Glauben Sie, das Schmuggeln ist schwieriger geworden?

DG: Das ist möglich. Es werden ja pausenlos immer mehr Kontrollinstanzen gebildet, um diese Art von Schmugglerei zu verhindern. Aber wenn man sich nicht zu blöd anstellt, kann man immer noch Überraschendes entstehen lassen, glaube ich.

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Screenings in November 2023 at Stattkino Luzern

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Melting Ink - Jeder schreibt für sich allein | Film | Dominik Graf | DE 2023 | 167’ | Woche der Kritik Berlinale 2023

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First published: May 19, 2023