Ivana the Terrible

«Deine Probleme sind hier», sagt der Vater und zeigt seiner Tochter Ivana den Vogel. «Ivana the Terrible» ist zu ihrer Familie in die serbische Kleinstadt Kladovo heimgekehrt und überfordert sie mit ihrer gereizten, hypochondrischen Art. Die Konflikte treten plötzlich auf, eskalieren schnell, doch legen sie sich gleich wieder. Die Regisseurin Ivana Mladenović verarbeitet in ihrem semiautobigrafischen Spielfilm ihre eigene Lebenssituation und lässt dafür ihre eigene Familie vor die Kamera treten. Nur anhand eines losen Skripts wurden gewisse reale Situationen in eine Fiktion gesponnen, um dann von der Familie halb improvisiert gespielt zu werden. Alles, was in dem Film passiert, ist so oder hätte so geschehen können. Im Mittelpunkt steht zweifelsohne sie selbst: Ivana Mladenović ist Autorin, Regisseurin und Schauspielerin zugleich. Durch ihre Erscheinung befördert, umgibt die Figur ein trügerisch mädchenhafter Charme. Meist trägt sie Turnschuhe und sehr kurze Hosen, darüber ein lockeres T-Shirt und einen Eastpack-Rucksack in Weinrot. Ihre Haare fallen brav über die Schultern. Mit grossen, unsicheren Augen macht sie sich auf, um in die von ihr entfremdete Heimat einzufallen und Unruhe zu stiften.

Wir folgen also dieser Figur, die sich zurück in ihrem Elternhaus eine Auszeit von ihrem Bohème-Leben in der Grossstadt gönnt. Wir beobachten eben die Situation, in der sich die Regisseurin in dem Moment selbst befindet. So wird der Film zu einer Abfolge von Momenten. «Geh zurück nach Bukarest», sagt ihr die Grossmutter. «Was wäre, wenn ich einen 19-Jährigen daten würde?», fragt sie unvermittelt ihren Bruder. Von dem Haus, das die Eltern von ihrem Geld bauen, will Ivana nichts wissen. Wohl aber von ihren Freunden, die sie aus der Metropole besuchen kommen. Gemeinsam schwanken sie fortan zwischen juvenilem Geltungsbedürfnis und ablehnender Gleichgültigkeit. Ihre Zerstreuung stösst auf Unverständnis, ihre Ungeduld und das Nichtstun befördern eine Rastlosigkeit, die schliesslich in einem halb ernst gemeinten Engagement für das vom Bürgermeister initiierte Volksfest resultiert, bei dem Ivana als erste Ehrenbürgerin in einer ulkigen Zeremonie geehrt wird. Teilweise verliert sich im Film der rote Faden und man wünscht sich ein bisschen Ruhe oder zumindest eine gemeinsame Perspektive, durch die man den Rastlosen mit mehr Empathie begegnen könnte. Doch es soll nicht sein, und hier zeigt sich sowohl eine Hürde als auch eine dokumentarische Stärke des Films. Ivana the Terrible ist eine therapeutische Nabelschau, eine schamlose Selbstinszenierung und ein enttarnendes Porträt einer Generation, die sich in der Selbstverwirklichung verliert.

 

Info

Ivana the Terrible | Film | Ivana Mladenović | ROM-SRB 2019 | 86’ | Locarno Film Festival 2019

Cineasti del Presente Special Jury Prize at Locarno Film Festival 2019

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First published: August 28, 2019