His Master's Voice

Der gleichnamige Roman von Stanislaw Lem, auf dem His Master’s Voice von György Pálfi basiert, ist mehr Philosophie als Science-Fiction. Er stellt nicht die Frage, wie die Menschheit reagieren würde, wenn sie ein intelligentes ausserirdisches Signal empfangen sollte, sondern ob sie überhaupt eine sinnvolle Reaktion möglich ist, da die Wahrscheinlichkeit, ein solches Signal überhaupt dechiffrieren zu können, verschwindend gering ist. Es wäre am Ende wohl nicht viel mehr als ein besonders komplexer Rohrschach-Test, der mehr über den Interpreten aussagen würde als über die Nachricht selbst. Auch dass diese mit dem Spitznamen „die Stimme Gottes“ versehen wird, ist mehr als ein dahingesagter Scherz unter Wissenschaftlern.

Ähnliches gilt für Pálfis Film, der sich einerseits nur lose an Lems Roman hält, gleichzeitig aber einen solchen Reigen aus scheinbar unzusammenhängenden Bildern, Ideen und Medialitäten auf den Zuschauer loslässt, dass auch hier die individuelle Interpretationsfähigkeit bald an ihre (menschlichen) Grenzen gerät. Der Wissenschaftler Peter Hogarth, der im Roman das (ausserirdische? göttliche?) Signal empfängt und auf gefährliche Weise mit diesem experimentiert, wird im Film selbst zum abwesenden Vater, dessen eigenen kryptischen Signale erst interpretiert werden müssen. Im Film hat dieser zwei Söhne kurz nach deren Geburt hinter dem Eisernen Vorhang in Ungarn zurückgelassen, um in den USA an einem geheimen Forschungsprojekt teilzunehmen, das rätselhafte und vielleicht tödliche Folgen hatte und daraufhin eingestellt wurde. Ein gefundenes Fressen für Verschwörungstheoretiker, deren Blickwinkel der Film hier gleichzeitig Referenz erweist und kritisiert. Einer der Söhne macht sich auf die Suche nach ihm, einer Spur von Verschwörungsvideos und verstaubten Dokumenten in Archiven folgend. Die Informationen pulsieren, wuchern chaotisch auf seinem Bildschirm und auf der Kinoleinwand. Am Ende erscheint jede Interpretation zugleich zwingend und unmöglich.

His Master’s Voice lohnt sich alleine schon wegen zwei virtuellen Kamerafahrten, die den Film umrahmen und dem berühmten Kurzfilm Powers of Ten von Charles und Ray Eames ähneln, jedoch Ideen behandeln statt die langweiligen Fakten des Universums. Dazwischen fährt Pálfi wie besessen ein Füllhorn von modernen und schon fast wieder vergessenen Medialitäten auf, die vom Desktop-Film mit Skype-Dialogen über Youtube-Videos und schwindelerregend dichte Computeranimationen bis zu Traumsequenzen direkt aus einer Splatterversion von Gullivers Reisen reichen. Es ist ein Film, der überfordert – dies im besten Sinne des Wortes. Denn erst in der Überforderung, dem Versuch, aus dem ganzen Chaos das uns umgibt, eine sinnvolle Botschaft herauszulesen, also die (eigene) Realität überhaupt zu generieren, wird der Mensch zum Wesen, das vielleicht nicht so ganz in seiner eigenen Biologie gefangen ist, wie es am Anfang noch den Anschein machte.

 

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His Master's Voice | Film | György Pálfi | HU-CAN 2018 | 108’ | NIFFF 2019

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First published: July 20, 2019