Until Branches Bend

[…] «Until Branches Bend» reminds us through its fabula and filmic choices of the power and truth in intuition, being open to the signs, and never underestimating the true force of nature.

Q&A with Sophie Jarvis, realised by Giuseppe Di Salvatore and Ruth Baettig in collaboration with the Stadtkino Basel

Text: Jodie McNeilly | Audio/Video: Ruth Baettig

(Übersetzung aus dem Englischen - for the original text, see below)

Niemand in Troja hört auf die Unheilswarnungen von Kassandra, der Priesterin des Apollo. Ihre Gabe der Prophezeiung wird von Apollo zum Fluch gemacht, als sie nicht mit ihm schlafen will; ihre Vorhersage des schrecklichen Schicksals Trojas wird von allen ignoriert. Als die Griechen schliesslich die Stadt plündern, steigt Ajax vom Holzpferd und vergewaltigt sie im Tempel der Athene. Dafür werden die Griechen bestraft und dürfen zehn Jahre lang nicht in ihre Heimat zurückkehren. Kassandras Prophezeiung bleibt unbeachtet, erfüllt sich aber. Robin (Grace Glowicki), die Heldin von Until Branches Bend, erinnert mich an Kassandra. Sie ist Sortiererin in einer Pfirsichfabrik in ihrer Heimatstadt Montague in Kanada. Robin findet einen Pfirsich mit einem Wurmloch und nimmt sich die Zeit, ihn aufzuschneiden, wobei ein riesiger, bisher unbekannter Käfer zum Vorschein kommt. Robin macht ihren verheirateten Chef (und Liebhaber, der sie geschwängert hat) auf das Insekt aufmerksam. Ihre Entdeckung wird inspiziert;  Pfirsiche werden gewaschen, weiterbefördert und abgepackt wie viele andere Millionen Pfirsiche, die dieses florierende Agrarunternehmen zum Weitervertrieb verarbeitet hat. Robin interpretiert den Käfer als Zeichen dafür, dass etwas Verheerendes bevorsteht.

Vom Resultat ihrer Beziehung zu Dennis (Lochlyn Munro), ihrem Chef in der Pfirsichfabrik, erfahren wir erst dadurch, dass Robin den gesamten Film hindurch versucht, einen Termin für eine Abtreibung zu bekommen. Wie der Käfer in der Frucht wächst auch der Embryo als unerwünschte Präsenz heran. Wir bekommen immer wieder Bilde-Montagen zu sehen von gereiften Pfirsichen, aufgeplatzt und in verschiedenen Stadien des Verfaulens. Orange Farbtöne sättigen die Szenen, gewisse Bilder sind mit einem leichten, flauschigen Flaum überzogen, der an einen Pfirsich erinnert.

Robin wird von Dennis eingeschüchtert und verunsichert. Ihr Warnruf wird von den Männern ignoriert, die sich eigentlich kümmern sollten, die ihre Arbeit erledigen und Verantwortung für die Stadt übernehmen sollten. Dennis bringt Robin – wie die Männer in Troja, bevor ihr Schicksal besiegelt ist, und wie alle bisherigen „Machthaber“ in der Geschichte – zum Schweigen: «Davon will ich nichts mehr hören.»

Die  Lebensgrundlage von Robins Eltern und den meisten anderen in der Stadt wurde durch einen Mottenbefall zerstört. Die „flussabwärts“ lebende indigene Bevölkerung wurde durch den chemischen Krieg gegen die Natur langsam ausgerottet, wodurch der immense Reichtum einiger weniger und die einfachen Jobs beim Pflücken und Packen, die es ausserhalb des Tourismus gibt, zerstört wurden. Robin, getrieben von ihrem Wissensbedürfnis, alarmiert die Behörden. Die Farmen und Fabriken werden geschlossen und die Stadt wendet sich gegen sie. Das Trauma ist offensichtlich, ob der Käfer ignoriert wird oder nicht. Die Angst und die Verletzlichkeit eines jeden sind spürbar, aber Jarvis spielt hier nicht das Offensichtliche aus. Die Entwicklung von Robins Charakter wird erfrischenderweise nicht von psychologischen Defiziten oder Entdeckungen bestimmt. Auch die Szene in der Abtreibungsklinik ist nicht mit Emotionen überladen. Vielmehr offenbart sie die Absurdität einer Rechtsfiktion. Die Abtreibungsärztin warnt Robin vor den unwissenschaftlichen und unbegründeten Risiken der Unfruchtbarkeit, des Brustkrebses und des Selbstmords bei einem Schwangerschaftsabbruch, damit der Eingriff legal durchgeführt werden kann. Dies könnte durchaus eine Warnung von Jarvis an diejenigen Nationen sein, die vom lebensrettenden Präzedenzfall Roe v. Wade, 410 U.S. 113 (1973), profitiert haben. 

Stattdessen konstruiert Jarvis ihre filmische Dramaturgie mit den epischen Tönen und der Energie eines Mythos. Robins Schwangerschaft ist eine moralische Strafe der Götter für ihre Beteiligung am Ehebruch, die Käferplage, die schliesslich die Stadt heimsucht, eine Art Rache für die Zerstörung des Planeten. Der gesamte filmische Apparat ist an dieser Konstruktion beteiligt. Die Klangkomposition (Kieran Jarvis) tritt oberflächlich gesehen hinter die Charaktere, weit entfernt von jeder natürlichen Immersion. Das erinnert an ein Zeitalter des Kinos – oder ironischerweise an einen schlechten Fernsehfilm –, in dem Cello und Flöte Gefühle unter Vermeidung von Gefühlen dramatisierten. Die Inkongruenzen werden durch das bedachte, nicht hysterische Spiel verstärkt, wobei der abgeschwächte  Naturalismus, der an den „Mamet-Stil“ grenzt, eine unheilvolle Affäre mit dem Expressionismus eingeht. Robins Fehlgeburt erzeugt Formen, die eine seltsame Verschmelzung von Bela Lugosi und Mary Wigmans Hexentanz erzeugen. 

Jarvis scheut sich nicht, die Gier und die schändliche Ignoranz der Männer in dieser Stadt aufzudecken. Sogar der Obst pflückende, reiche, auswärtige Künstlerfreund von Robins jüngerer Schwester Lainey (Alexandra Roberts) verspürt das Bedürfnis, seine Theorien grossartig zu erläutern. Ideen werden symbolisch untergetaucht, wenn Lainey mitten im Satz unter Wasser verschwindet. Wird sie diejenige Generation sein, die sie endgültig ertränkt? Until Branches Bend erinnert uns durch die Fabel und die filmischen Entscheidungen an die Kraft und die Wahrheit der Intuition, daran, offenzubleiben für Zeichen und die wahre Kraft der Natur niemals zu unterschätzen.

*

No one in Troy listens to the forewarnings of doom by Cassandra the Priestess of Apollo. Her gift of prophecy is made a curse by Apolllo when she will not sleep with him; her foretelling of Troy’s horrendous fate is ignored by all. When the Greeks finally sack the City, Aias emerges from the wooden horse and rapes her in the temple of Athena. The Greeks are punished for this and are unable to return home for 10 years. Cassandra’s prophecy goes unheeded, but fulfilled.  Robin (Grace Glowicki), the heroine of Until Branches Bend, reminds me of Cassandra. She is a grader for a peach factory in her home town of Montagu, Canada. Robin finds a peach with a wormhole and takes the time to cut it open exposing a giant beetle not seen before. Alerting her married boss (and lover who has impregnated her) of the bug, Robin’s discovery is inspected, rinsed, rolled and packed away like the many millions of peaches this thriving agri-business processes for wider distribution. Robin reads the beetle as a sign of something devastating to come.

We are only given the result of her relations with Dennis (Lochlyn Munro), her boss at the peach plant, when Robin spends the entirety of the film trying to get an abortion. Like the bug within the fruit, the embryo grows as an unwanted presence. We get intermittent montages of fecund peaches, ripped open and in various stages of decay. Orange hues saturate scenes, the veneer of certain frames covered in a light fuzzy down like a peach.
Dennis gaslights Robin. Her alarm is extinguished by the men who should care, should do their job and take responsibility for the town. Dennis, like the men in Troy before their fate is sealed, like all the “power over” in history to date, silences Robin: «I don’t want to hear about this anymore».

Robin’s parents’ lives were destroyed along with most of the towns’ by a moth infestation. Its Indigenous population living “downstream” were slowly killed off by the chemical warfare on nature, destroying the immense wealth of the few and the menial jobs picking and packing outside of tourism. Robin, driven by her need to know, alerts the authorities. The farms and plants are shut down and the town turns on her. 
There is obvious trauma to not ignore and ignore the bug. Everyone’s fear and vulnerability is palpable, but Jarvis does not play the obvious here. Robin’s character arc is refreshingly not driven by any psychological deficit or discovery. Even the scene at the abortion clinic is not overburdened by emotion. Rather, it gives way to the absurdity of a legal fiction. The abortionist warns Robin of the unscientific, unfounded risks of infertility, breast cancer and suicide from a termination so the procedure can legally take place. This could very well be a warning from Jarvis to nations that have benefitted from the lifesaving precedent of Roe v. Wade, 410 U.S. 113 (1973).

Instead, Jarvis constructs her poiesis with the epic tones and energy of a myth. Robin’s pregnancy is a moral punishment from the Gods for her participation in adultery, the beetle plague that eventually engulfs the town some kind of vengeance for destroying the planet. The entire filmic apparatus shares in this construction. The sound composition (Kieran Jarvis) treads superficially behind the characters, far removed from any natural immersion. It harkens back to an age of cinema, or ironically a bad tele-movie, where cello and flute dramatize a feeling with the avoidance of feeling. The incongruencies are heightened by the weighted, non-hysterical acting, whereby flattened naturalism, bordering on the “Mametian style”, is in a sinister dalliance with expressionism. Robin’s miscarriage generates shapes that are an awkward fusion of Bela Lugosi and Mary Wigman’s Witch Dance.  

Jarvis holds no punches on exposing the greed and shameful ignorance of the men in this town. Even Robin’s younger sister Lainey’s (Alexandra Roberts) fruit picking, artsy, rich boyfriend from out of town feels the need to mansplain his theories; ideas are symbolically submerged as Lainey disappears under the water mid-sentence. Will she be the generation to finally drown them out?     

Until Branches Bend reminds us through its fabula and filmic choices of the power and truth in intuition, being open to the signs, and never underestimating the true force of nature.

Watch

Screenings in Swiss cinema theatres

Info

Until Branches Bend | Film | Sophie Jarvis | CH 2022 | 98’ | Solothurner Filmtage 2023, Locarno Film Festival 2023 | CH-Distribution: Outside the Box
Prix de Soleure at the Solothurner Filmtage 2023 | Locarno Film Festival 2023 in the Section Panorama Suisse

More Info and Trailer

First published: February 06, 2023