Und morgen die ganze Welt
Text: Pamela Jahn
Was treibt junge Menschen heute in den Widerstand? Und wie weit darf, muss und kann so ein Protest gehen? Um diese zentralen Fragen kreist Und morgen die ganze Welt und stellt dabei mitunter zweifelhafte Thesen auf. Denn die junge Frau, Luisa, um die es in Julia von Heinz’ energiegeladenem Politdrama geht, ist nicht nur in der Grauzone zwischen Mitmachen und Kämpfen gefangen, sondern vielmehr in ihren Gefühlen zu einem gut aussehenden Antifa-Typen, der ihr bei ihrem ersten Einsatz gegen rechts zu Hilfe kommt. Ein derartiger Ansatz bringt jedoch Probleme mit sich, zum einen im Hinblick auf die Motive, die tatsächlich hinter Luisas Radikalisierung stecken, sowie in Bezug auf die Glaubwürdigkeit der Figur insgesamt. Und was zunächst als eine wachsame Kritik am heutigen Verständnis von Politik und Gesellschaft beginnt, entwickelt sich zunehmend zu einer seltsamen Dreiecksgeschichte zwischen modernen Revoluzzern, die letztlich viel weniger resolut sind, als sie gerne sein würden. Vor allem aber, dass die Jurastudentin aus gutem Hause irgendwann im Alleingang mit einem Jagdgewehr ihres Vaters auf die Nazis zielt, um anschliessend, wie es so schön heisst, die Flinte ins Korn zu werfen, verärgert eher, als dass es auch nur entfernt plausibel erscheint. So wie Luisa nicht hören will, was ihre beste Freundin ihr zu sagen hat, als die beiden sich in ihren politischen Aktionen immer weiter voneinander wegbewegen, so scheint auch von Heinz mit allzu sturem Blick auf ihre Figuren zu schauen.
Worin der Film dafür umso mehr überzeugt, ist in der Vermittlung einer latenten inneren Unruhe, einer Nervosität, die sich von den Protagonisten ausgehend mittels kluger Kameraführung und gekonnter Schnitte auf das Geschehen überträgt und deutlich macht, wie dringlich die Lage ist. Bei von Heinz, die in ihrer Jugend selbst jahrelang bei der Antifa war, sind die Autonomen heute noch so unerschrocken wie damals in den Achtzigern. Die Diskussionen, die zwischendurch unter den Linken geführt werden, gehen dagegen nie unter die Haut. Vieles bleibt an der Oberfläche, wird nur kurz angerissen, manches ganz ausgelassen, und auch die Nebenrollen bleiben jede für sich eindimensional und flach. Eine derartige Typisierung und Verkürzung in der Charakterzeichnung führt schliesslich dazu, dass die Jugendromanze unweigerlich in den Vordergrund rückt und einer Wut im Bauch den Platz streitig macht, die eingangs verspricht, was sie erst ganz am Ende, im Abspann, als es bereits zu spät ist, einzulösen vermag.