Seestück | Volker Koepp

[...] In dieser neuesten Arbeit scheint Koepp die perfekte Balance zwischen Kontemplation und Information, zwischen Intimität und Militanz gefunden zu haben. Eine kritische Anschauung von Biopolitik kann nicht nur mit Politik erreicht werden...

Filmexplorer kann hier den Q&A-Mitschnitt in Stadtkino Basel veröffentlichen. Das Gespräch führte Jean Perret.

Text: Giuseppe Di Salvatore | Audio/Video: Ruth Baettig

Vor zwei Jahren kam Volker Koepp nach Basel, um sein Landstück im Stadtkino zu präsentieren. Mit diesem "Stück" hier kommt der deutsche Dokumentarfilmer nun erneut nach Basel und schliesst damit das Studium der Landschaft seiner Heimat ab. Es ist eine Gelegenheit, die historische, soziale, wirtschaftliche, biologische und politische Komplexität dieser Landschaft zu entdecken, deren Bild nie ein Ankunftsort, eine Synthese, sondern ein Ausgangspunkt für eine Untersuchung aus der vielfältigen Perspektive der Menschen ist, die diese Landschaft erzählen. Die Faszination von Koepps Erzählstil liegt einmal mehr in seiner Fähigkeit, sich selbst zu erstaunen und uns zu erstaunen mit dem, was er sicher auch gut kennt. Sein Stil ist ein Stil der Empfänglichkeit, offen für Zeugnisse, Informationen, Eindrücke, bei dem immer wieder mit politischer Anprangerung argumentiert wird und die Frage der Zugehörigkeit zu einem Ort einen humanistischen Blick vermittelt, manchmal nostalgisch, aber letztlich optimistisch.

In dieser neuesten Arbeit scheint Koepp die perfekte Balance zwischen Kontemplation und Information, zwischen Intimität und Militanz gefunden zu haben. Eine kritische Anschauung von Biopolitik kann nicht nur mit Politik erreicht werden: So wird der Anklage der Gewalt, die der Mensch seiner Umwelt antut, eine lange Sequenz gegenübergestellt, in der Seestück auf naturalistischer Schönheit beharrt. Caspar David Friedrich, einer der ersten romantischen Ostsee-Sänger, übernimmt damit eine strategische Rolle als Zeuge einer positiven Leidenschaft, ohne die jede Kritik letztlich unproduktiv wäre.

Man könnte Volker Koepp gut fragen, warum in Seestück die "Bösewichte" – diejenigen, die Strände zementieren wollen, das Ökosystem Meer für rein finanzielle Zwecke missbrauchen oder die Ostsee für verantwortungslose Militärspiele und Kriegstreiberei nutzen – kein Recht auf eine Stimme in diesem Dokumentarfilm haben. Es ist also eine Gelegenheit für mich, über die Ehrlichkeit einer gewissen Einseitigkeit in der Dokumentation nachzudenken. Die Achtung vor einem par condicio ist schliesslich oft nur ein Vorwand, ein Spiel zu spielen, in dem die "Bösewichte" zwangsläufig verspottet werden. Es ist vielleicht aufrichtiger, eine einseitige, aber klare und vor allem kollektive Stellung zu beziehen. Auch formell ist diese sehr überzeugend, vor allem dank der wunderbaren Tonmischung (Bernd von Bassewitz, Kai Ziarkowski), mittels welcher die Dramatisierung des Konflikts oder Dialogs zwischen Natur und Kultur erfahrbar gemacht wird. 

Info

Seestück | Film | Volker Koepp | DE 2018 | 135‘ | Stadtkino Basel

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First published: March 13, 2019