Machines

[…] Ohne Kommentar und Zeigefinger, mit einer irritierend poetischen Bildsprache, die an Michael Glawoggers «Workingman’s Death» erinnert, wird das nüchterne Abbild einer Realität geschaffen, die für viele Arbeiter aus einem Aneinanderreihen von möglichst vielen Schichten besteht, während die Familie weit entfernt wohnt.

[…] Etwa als ihm ein Bauer auf der Strasse in der Nähe der Fabrik seine Situation schildert und kurz darauf kritisch nachfragt: «Weswegen sind Sie denn hier? Sie hören sich die Probleme doch nur an und gehen dann wieder».

Ruhig schlängelt sich die Kamera durch die labyrinthartigen Gänge der Textilfabrik. Dunstwolken trüben den Blick, ratternde Maschinen übertönen die gelegentlichen Gespräche der arbeitenden Personen. Und während die hellen Neonröhren mehr Kälte denn Wärme abgeben, leuchten die in riesigen Stahlkisten gelagerten Stoffberge in allen erdenklichen Farben und Mustern.

In seinem Debütfilm Machines dokumentiert der indische Filmemacher Rahul Jain den Alltag in einer Textilfabrik in Gujarat. Ohne Kommentar und Zeigefinger, mit einer irritierend poetischen Bildsprache, die an Michael Glawoggers Workingman’s Death erinnert, wird das nüchterne Abbild einer Realität geschaffen, die für viele Arbeiter aus einem Aneinanderreihen von möglichst vielen Schichten besteht, während die Familie weit entfernt wohnt. Schutzkleidung gibt es praktisch keine, und auch Kinder werden von klein an in die verschiedenen Arbeitsschritte eingebunden.

Erweitert wird der visuelle Einblick durch zahlreiche Interviews mit Arbeitern. In diesen werden sowohl die schlechten Arbeitsbedingungen, etwa die zwölfstündigen Schichten, fehlende Sozialleistungen und Arbeitsrechte, aber auch mangelnde Handlungsmöglichkeiten angesprochen. Nur in den wenigsten regionalen Textilfabriken gebe es aktive Gewerkschaften. Einer der Arbeiter führt dies auf die massiven Unterdrückungsmassnahmen der Fabrikbesitzer zurück. Gründe jemand eine neue Gewerkschaft, so gehe es nicht lange, bis nach potenziellen Anführern gesucht werde und diese ermordet würden, konkretisiert er.

Ein anderer junger Mann erläutert seine ambivalente Haltung gegenüber Streiks. Einerseits betont er die Wichtigkeit, Druck auf den Chef und die Firma auszuüben, andererseits weist er auch auf seine dabei entstehenden Existenzängste hin. «Wir haben keinen, der uns dann Essen gibt. Deshalb nehmen wir die Situation weiter so hin».

«Weswegen sind Sie denn hier?»

Es sind Inhalte, von denen man sich am Ende mehr wünscht, etwa Hintergrundinformationen und zusätzliche Angaben zu den verschiedenen Personen, die während des Films zu sehen sind. Viele Fragen werden im Raum stehen gelassen. Einerseits ist es schade, dass sich der lediglich 72-minütige Film dafür nicht mehr Zeit nimmt. Anderseits scheinen Erklärungen und Antworten auch gar nicht das Ziel von Rahul Jain zu sein. Vielmehr will er eine Situation aufzeigen, ein Bewusstsein schaffen, denn: «Es ist einfach, unangenehme Dinge nicht zu beachten. Deshalb nehme ich Kino als kuratorisches Mittel wahr: ein kuratorisches Mittel, um einige dieser Dinge mit einer temporären Aufmerksamkeit zu versehen». Eine Motivation, die dem Filmemacher auch Kritik einbringt. Etwa als ihm ein Bauer auf der Strasse in der Nähe der Fabrik seine Situation schildert und kurz darauf kritisch nachfragt: «Weswegen sind Sie denn hier? Sie hören sich die Probleme doch nur an und gehen dann wieder».

Machines wird eine Situation nicht verändern und zeichnet sich durch einen tendenziell voyeuristischen Charakter aus. Und doch schafft der Dokumentarfilm ein weiteres Exempel dafür, was heutzutage Massenproduktion in einer globalisierten Welt bedeutet und unter welchen Umständen jene Textilstoffe entstehen, die in unseren Schränken hängen. Nicht mehr. Und nicht weniger.

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Machines | Film | Rahul Jain | IND-DE-FIN 2016 | 72’ | Zurich Film Festival 2017, Black Movie Genève 2018

Best Documentary Film at Zurich Film Festival 2017

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First published: January 20, 2018