Love at Least

Das eigene Drama ist immer das schlimmste von allen. Kôsai Sekines erster Film konzentriert sich auf jenes von Yasuko, einer manisch-depressiven jungen Frau mit Schlafstörungen, und ist immer dann am erfolgreichsten, wenn er sich genau nur auf das Drama seiner Hauptfigur konzentriert. Verschiedene Nebenfiguren, allesamt mit ihren eigenen grösseren und kleinen Beschädigungen, kreisen in Yasukos Umfeld umher, ohne dass dem Film allerdings bei ihnen auch nur annähernd dieselbe Einfühlsamkeit gelingt. Tsunagi, Yasukos Freund, bei dem sie seit drei Jahren wohnt (wobei wohnen in ihrem Fall hauptsächlich schlafen bedeutet), ist der ultimative Langweiler – eine Tatsache, die Yasuko bereits beim ersten Date mit ihm laut feststellt. Sie habe gehofft, sein Mangel an Charakter würde auf sie abfärben, teilt sie ihm später einmal mit; ein Satz, dessen beiläufige Traurigkeit auf jene Eigenschaften von Love at Least verweist, die den Film trotz aller dramatischen Konstruiertheit und seinem (japanischen) Hang, seine Thesen in Monologen auszuführen, immer wieder vom Durchschnitt abheben lassen.

Nebst der eindringlichen Behandlung einer Krankheit, deren physiologische Hintergründe vielen Menschen (vor allem in Japan) anzuerkennen immer noch schwerfällt – eine ansonsten sehr sympathische Figur wiederholt etwa immer wieder, dass Depression vor allem durch Einsamkeit ausgelöst werde –, ist es vor allem die Hauptdarstellerin Shuri, die Love at Least sehenswert macht, besonders während Szenen, in denen sie alleine die Leinwand füllt und sich von nichtigen Alltäglichkeiten aus ihrem ohnehin schon brüchigen Konzept bringen lässt.

Und wenn über den Auslöser im Plot für Yasukos beginnenden Versuch, ihren inneren Mauern zu entkommen, besser nicht zu viele Worte zu verlieren sind, so ist die Form dieses Versuchs zur Besser-Werdung faszinierend und nachvollziehbar anzusehen. Da sind die sieben Wecker, die Yasuko neben ihrem Bett aufgestellt hat, um dem Terror ihrer Hypersomnie zu entkommen; da ist das Nachsehen des arbeitgebenden Ehepaares, das Yasuko immer noch eine Chance mehr gibt, als sie eigentlich verdient hätte; und da ist die ständige Brüchigkeit, durch die der kleinste Moment der Unsicherheit alles wieder zum Einsturz bringen kann. Niemand aber, so eine andere schöne (ausgesprochene) These von Love at Least, scheitert jedes Mal.

 

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Love at Least | Film | Kôsai Sekine | JAP 2018 | 109’ | Ginmaku Japanese Film Festival Zürich 2019

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First published: June 04, 2019