Joyland

Text: Pamela Jahn

Schon die ersten Bilder lassen erahnen, dass in dem Debütfilm des pakistanischen Regisseurs Saim Sadiq eine Enthüllung bevorsteht: Ein Mann tanzt mit seinen Nichten Walzer, während sein Körper unter einem Bettlaken verdeckt ist. Sein Leben und seine Identität werden sorgfältig verborgen; er existiert in einer Welt, die nicht die seine ist und die mit Menschen wie ihm und mit dem Anderssein überhaupt noch immer grosse Probleme zu haben scheint.

Will man die weitere Handlung von Joyland auf ein paar Sätze reduzieren, könnte man meinen, Sadiq untersuche die zerstörerische Gewalt des Patriarchats in einer pakistanischen Familie. Auch die Tatsache, dass die Geschichte eine Transgender-Frau in einer islamischen Republik involviert, ist von Bedeutung. Doch in dem Film, der sich um Haider (Ali Junejo), den jungen Mann unter dem Laken, aufbaut, steckt noch viel mehr, als auf den ersten Blick ersichtlich ist. Es ist ein Film voller Lügen und Geheimnisse, geteilter Geschlechterrollen und unterdrückter Sehnsüchte, der unter seiner zarten Oberfläche eine so ungeheure Kraft entwickelt, dass die Bilder trotz der konventionellen Erzählweise buchstäblich im Neonlicht des Vergnügungsparks von Lahore, dem Joyland seinen Namen verdankt, von der Leinwand strahlen.

Sadiq verdichtet und konzentriert den Effekt durch den geschickten Einsatz von Farbe und überlagerten Einstellungen, in denen sich die Verhältnisse der Grossfamilie ebenso widerspiegeln wie Haiders folgenreiche Begegnung mit der exotischen Fashionista Biba (Alina Khan), die in einem der berüchtigtsten Clubs der Stadt arbeitet. Die Zuneigung zwischen den beiden Aussenseitern wächst langsam, wenn sie sich im nächtlichen Schatten oder im glänzenden blutroten Schein der Backstage-Beleuchtung begegnen. Aber auch das Verhältnis zwischen Haider und seiner Frau, die sich lieber auf ihre Arbeit konzentriert, als an das Kinderkriegen zu denken, ist durchaus von Zuneigung und Respekt geprägt. Sie sind beste Freunde, die in einer Ehe feststecken, die keiner von ihnen wollte. Ihre missliche Lage sowie Bibas ständiger Widerstand gegen die Ignoranz und Beleidigungen anderer in Verbindung mit Haiders Selbstfindungsprozess lassen jede Menge Raum für subtile soziale Kommentare, die niemals aufdringlich wirken.

Nur so viel steht fest: Die Freiheit hat in Joyland einen hohen Preis, insbesondere (und zwangsläufig) für die Frauen, aber Sadiqs hinreissender, nachdenklicher Film ist sich der Opfer, die es zu bringen gilt, sowie der noch bevorstehenden Kämpfe um Akzeptanz und Anerkennung voll und ganz bewusst.

Pamela Jahn

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This is an urgent story to be told in a country that still defends one of the most rigid binary gender agenda. Saim Sadiq’ nuanced, non-Bollywoodian filmic style is a statement per se in Pakistan, where a film like Joyland will thus be received as a – for some people uncomfortable, for others liberating – queer object.

Giuseppe Di Salvatore

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Joyland | Film | Saim Sadiq | PAK 2022 | 122’ | Zurich Film Festival 2022, Luststreifen Film Festival Basel 2022

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First published: October 03, 2022