Jacqueline Zünd | Where We Belong
[…] Ständig werden Kinder und Jugendliche geschont, verschont. Dabei sollte man ihnen zuhören. Denn ihre Klarsicht ist genauso erschütternd wie erheiternd.
[…] Die Zürcher Regisseurin Jacqueline Zünd richtet nach «Almost There» ihren Blick von Schnittstellen im Leben von Rentnern auf diejenigen im Leben von Kindern und Jugendlichen.
Text: Katja Zellweger | Audio/Video: Guido Henseler
Ständig werden Kinder und Jugendliche geschont, verschont. Dabei sollte man ihnen zuhören. Denn ihre Klarsicht ist genauso erschütternd wie erheiternd. Sie sagen nämlich Sachen wie: «Trennt euch lieber und macht als Vater und Mutter was mit uns statt als Eltern.» «Wir bauten uns eine Mauer.» «Ich sage nicht, wenn ich traurig bin. Ich will nicht, dass sie sich Sorgen machen.» Oder: «Momentan finde ich für niemanden Liebe ausser für unseren Fiat Agri. Ja.»
Die Zürcher Regisseurin Jacqueline Zünd richtet nach Almost There ihren Blick von Schnittstellen im Leben von Rentnern auf diejenigen im Leben von Kindern und Jugendlichen. In ihrem dritten Langspielfilm Where We Belong kommen nur Kinder zu Wort. Ihre Eltern bleiben auf Kindeshöhe abgeschnittene Körper und von oben her klingende Stimmen. Zünd porträtiert im für sie typischen Stil – absolute Ästhetik, inszenierte Dokumentation, authentische und ehrliche Charaktere – fünf sogenannte Scheidungskinder, deren sogenanntes Elternhaus zerbrochen ist. Schreckliche Begriffe, die einen Normalitäts-Zwang definieren, der Scheherazade aus Basel die blanke Abscheu ins Gesicht treibt. «Für die einen ist es normal, ein Zuhause zu haben, für mich sind drei normal.» Sonst nichts. Sie und ihr Bruder, die sich nicht entscheiden wollten zwischen den Eltern, haben die Option Heim gewählt. Dort sind sie sich gegenseitig Familie. Die Mädchen Ilaria und Alyssa zeigen Verständnis, Einfühlungsvermögen und Sorge um die Eltern, während der Jugendliche Thomas bilanziert, wie um ihn alles im Schweigen versinkt und er mit der Scham umgehen muss, zur einzig getrennten Familie des Dorfes zu gehören. Eine altbackene Schweiz zeigt da ihr Gesicht, wenn man hört, dass diesen Kinder nicht ins Klassenlager durften – als wäre Scheidung ansteckend.
Die Kinder sind im Interview zu sehen, im bewegten Frontalporträt in den satten Farben Rot, Violett und Blau und in alltagsnahen Situationen. Dazu wummert oft ein Soundtrack aus heftig flackerndem Bass, kombiniert mit einem feinen Glasperlenspiel (Musik: Thomas Kuratli). Hierbei zeigt Zünd viel Jahrmarkt – etwas rau aber doch mit Sicherheitsbügel –, viel Natur – etwas Selbstfindung mit freiem Spiel – und auch etwas von den im Alltag bemühten Eltern, die genauso im Dazwischen stecken wie die Kleinen.
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