#FEMALE PLEASURE

«Was denken Sie über weibliche Lust und gleichgeschlechtliche Liebe?» – «Wir sind nicht in der Stimmung darüber nachzudenken». So verweigert der ältere hinduistische Priester jegliche weitere Diskussion. Eigentlich ist es lustig, wie er sich herauszuwinden versucht im Film #FEMALE PLEASURE, der erstmals zu sehen war in der Dokumentarfilm-Sektion von Locarno. Gleichzeitig ist es ein Armutszeugnis und steht für das Problem, dem sich die Schweizer Filmemacherin Barbara Miller (Forbidden Voices, 2012; Klitoris, 2005) angenommen hat: Weibliche Lust und deren weltweite Dämonisierung  – insbesondere durch patriachalisch geprägte Weltreligionen.

Miller porträtiert, in einer didaktischen und traditionellen Struktur, fünf gestandene Frauen. Der Film lebt von diesen Protagonistinnen, die aus strenggläubigen Familien je einer Weltreligion stammen und damit gebrochen haben. (Scham-)Haarsträubend, welche Unterdrückungsmechanismen sich im Namen weiblicher Reinheit und Reproduktionslogik herausgebildet haben: So wird in der jüdischen Hochzeitsvorbereitung die Vagina als «schöner Flur für neues Leben» bezeichnet. Im katholischen Kloster erhielten Nonnen übergrosse Unterkleider mit dem Kommentar «Das tragen wir für unsere Mitbrüder» – zu Vergewaltigung kam es dennoch. Oder man erfährt von der Verhaftung der buddhistisch-schintoistischen Japanerin Rokudenashiko wegen einem 3D-Print ihrer Vagina. Penisparaden oder Porno zum Thema Kindervergewaltigungen sind in Japan aber erlaubt. Der somalisch-englischen Therapeutin Leyla Hussein folgt man bei ihrer weltweiten und geschlechterübergreifenden Aufklärungsarbeit zum Thema Genitalverstümmelung.

#FEMALE PLEASURE von Miller ist ein Film voller luzider, inspirierender Aussagen. Eine der wertvollsten Botschaften: Zur Entdämonisierung der weiblichen Lust braucht es die Zusammenarbeit mit den Männern. Was leider thematisch nach dem Filmanfang auf der Strecke bleibt, ist die Rolle der, wenn man so will, Religion der Gegenwart, dem Kapitalismus. Denn dieser produziert tagtäglich eine unglaubliche Bilderflut von Frauenkörpern, die wiederum zum Lustobjekt reduziert werden. (Locarno Critics Academy 2018, Katja Zellweger)


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#FEMALE PLEASURE | Film | Barbara Miller | CH-DE 2018 | 97‘ | Locarno Festival 2018, Semaine de la critique, Solothurner Filmtage 2019

Prix Zonta Club Locarno at Locarno Festival 2018

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First published: August 11, 2018