Elie Grappe | Olga

[…] Dabei geht Elie Grappe mit der Kamera nah ran an den Athletenkörper und die Gesichter, die im Bildschirm eine doppelte Rahmung erhalten. Der Schnitt kontrastiert gekonnt Fülle und Leere, Nähe und Distanz.

Filmexplorer a pu rencontrer Elie Grappe aux Journées de Soleure et discuter avec lui sur son film «Olga» et sur l’art du cinéma.

Text: Katja Zellweger | Audio/Video: Ruth Baettig

Auf ihrem Handy ist Revolution. Der Kopf will an die Olympischen Spiele. Das Herz will demonstrieren in der Ukraine. Doch die 15-jährige Gymnastikerin Olga ist kurz vor Ausbruch der Maidanaufstände im November 2013 in die Heimat ihres verstorbenen Vaters, in die Schweiz, gezogen.

Wenig Freunde, neue Sprache, Hackordnung und Trainingsmethoden – das alles macht ihr im Schweizer Nationalteam zu schaffen. Aber was ihr wirklich zusetzt, passiert auf dem Bildschirm. Ihre Mutter ist regimekritische Journalistin und nimmt sie mit an die Front, dann wieder meldet sie sich nicht, um ihre Tochter im neuen Leben ankommen zu lassen und sie vor Sorgen zu bewahren. Ihre Freundin Sacha zeigt Olga die Solidarität und Begeisterung auf dem Platz, aber offenbart auch die dunkle Seite der Gewalt. Kurz: Die minderjährige Kunstturnerin (stark: Gymnastikerin Anastasiia Budiashkina) mit eiserner Disziplin ist diesen Bildern und Bildschirmen völlig ausgeliefert. Halt gibt ihr nur die Zentrifugalkraft am Reck, hier kann sie agieren.

Elie Grappe, gelernter Musiker und Filmemacher, hat schon mit mehreren Kurzfilmen (Suspendu, Hors Scène, Rehearsal) auf sich aufmerksam gemacht, in denen es um Leistungsdruck und Konkurrenz geht. Dabei geht er mit der Kamera nah ran an den Athletenkörper und die Gesichter, die im Bildschirm eine doppelte Rahmung erhalten. Der Schnitt kontrastiert gekonnt Fülle und Leere, Nähe und Distanz: etwa wenn auf den vollen Maidanplatz ein Bild folgt von der Gymnastikhalle mit leeren Rängen. Grappe kontrastiert unübersichtliche, wackelige Originalaufnahmen aus der Ukraine mit ruhigen Panoramabildern aus der geordneten Schweiz. Wobei das Bild des Sportzentrums viel Strahlkraft verloren hat, seit im Oktober 2020 ein «Magazin»-Bericht sehr problematische Ausbildungsmethoden in Magglingen enthüllt hat. Auch die Gegenwart mit russischen Truppen an der ukrainischen Grenze gibt dem etwas schnell herbeigeführten Schluss, der im Jahr 2020 spielt, einen anderen Beigeschmack. Nichtsdestotrotz holte Olga, dessen Dreharbeiten von Corona gestoppt wurden, in Cannes den Drehbuchpreis der Kritikerwoche und war offizieller Schweizer Kandidat für die Oscars.

 

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ONLINE SCREENING (Switzerland) by Filmexplorer's Choice on cinefile.ch

 

Info

Olga | Film | Elie Grappe | CH-FR 2021 | 85’ | Solothurner Filmtage 2022

Prix SACD at the Semaine de la critique at Festival de Cannes 2021

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First published: February 03, 2022