Dogs and Fools

Eine Bar irgendwo im nordiranischen Gebirge. Musiker spielen, die Leute, unter diesen ein frisch verlobtes Paar, tanzen, und mit ihnen tanzt die Kamera. Es ist der einzige unbeschwerte Moment in einem Film, in dem solche Ausgelassenheit einen nahezu unmöglichen Stand hat, da das Klima dieses Ortes alles dafür zu tun scheint, sie zu unterdrücken oder irrezuleiten. Es ist nicht nur die Religion (auf die sich einmal früher eine Gruppe von Männern berufen hatte, als sie einer Sängerin, die Mutter des tanzenden Mädchens, die Zunge herausschnitten), sondern ganz konkret auch das meteorologische Klima der Bergregion, das jeglichen Affekt seiner ihm natürlichen Bewegungsfreiheit beraubt. Die Berggipfel, die Nebelschwaden, selbst die pixelige Körnigkeit der Bilder, die nicht für die grosse Leinwand gemacht sind (und vielleicht aus Trotz ihren Weg gleichwohl auf eine solche finden), verweisen auf eine Präsenz einer Macht, die nicht will, dass hier irgendjemand oder irgendetwas tanzt.

Der Affekt lässt sich aber nicht einfach so einsperren, beharrlich sucht er sich einen Weg nach draussen – durch die Ritzen im alten Mauerwerk der Häuser oder durch deren vom Wetter zerstörte Dächer, durch die Versuchung, die in Gestalt zweier dämonischer Frauen den jungen Mann heimsucht, um diesen in eine vermeintlich offenere Welt zu entführen, seine Verlobte und ihr an jenem ausgelassenen Tag gezeugtes Kind alleine und in Schande zurücklassend. Alles, was danach geschieht und für die Handlung von Bedeutung ist – ein Abtreibungsversuch, der Tod des Vaters, Geburt und Tod des Kindes –, geschieht im Off, als ob die verschiedenen Vernebelungen dieses Filmes die Darstellung solch tragender, weil die emotionale Beschaffenheit des Ortes verändernden Ereignisse verunmöglichten. Ein klarer Blick ist hier weder dem Zuschauer noch seinen Figuren vergönnt, von den überall herumstreunenden herrenlosen Hunden und dem scheinbar direkt einem Bergman-Film entstiegenen Dorftrottel einmal abgesehen. Als der junge Mann aus der Stadt zurückkehrt und mit den Ergebnissen seiner eigenen Handlungen konfrontiert wird – die Ellipse in seiner Wahrnehmung dabei aber noch grösser als die der Zuschauer –, wird auch er wahnsinnig. Zum Schluss sehen wir ihn einen reschmalen, verschneiten Bergpfad hinaufgehen – vielleicht, um auch nur einziges Mal so etwas wie einen klaren Blick zu erlangen.

 

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Dogs and Fools | Film | Ali Mohammad Ghasemi | IRN 2017 | 76’ | Iranian Film Festival Zurich 2018, Kino Kosmos Zürich

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First published: May 30, 2018