Bagger Drama
[…] Maschinen dröhnen, Menschen schweigen. Der Chor singt. Das Private trifft auf das Mechanische, das Absurde auf das Alltägliche.
Text: Ruth Baettig

Es dreht sich. Immer weiter. Baggerarme rotieren, schwenken, stemmen. Maschinen folgen einer klaren Funktion. Menschen nicht. In Bagger Drama wird diese Drehung mehr als blosse Bewegung – sie wird zur Metapher für Stillstand. Wenn alles unaufhaltsam kreist, wird Zentrifugalkraft zur Zerreissprobe.
Piet Baumgartner zeigt das, was bleibt, wenn etwas Entscheidendes fehlt seit dem Unfalltod mit der Kanu der Tochter Nadine, der Schwester. Zurück bleiben Vater Paul, Mutter Conni und Sohn Daniel – drei Menschen, die sich nicht mehr erreichen. Eine Familie, die funktioniert, aber nicht mehr verbunden ist. Gespräche? Kaum. Verständnis? Fehlanzeige. Die Sätze sind knapp, funktional, mitunter absurd beiläufig. Als der Vater mit einem hochtechnologischen Neuwagen zur gemeinsam geschaffenen Gedenkstätte zum Jahrestag des Unfalls am Flussufer zurückkehrt, ruft ihm seine Frau gegen Windböen zu: «Was ist mit deinem Auto?» – «Warum keine andere Farbe?», fragt der Sohn. Worte prallen ab. Der Strom menschlicher Verbindung versiegt – doch das Wasser im Flussbett läuft weiter, ist nie mehr dasselbe. «Wir wissen nicht mehr weite», sagt Paul an einer anderen Stelle. Aus dieser Sprachlosigkeit schöpft der Film seine Kraft – bildgewaltig und mit Haltung. Das Nicht-Gesagte, das Nicht-Gelebte wird spürbar, sichtbar.
Nach einem kurzen Prolog, in dem die Familie einen Baum zum ersten Jahrestag des Unfalls pflanzt, hebt sich das Garagentor des bis anhin florierenden Familienunternehmens mit Baggern – wie der Vorhang eines Theaterstücks. Eine Familie im Zentrum ihres eigenen Stillstands. Jeder bleibt bei sich, kreist um die eigene innere Leere. Am Ende des Films schliesst sich das Tor – endgültig. Das Familienunternehmen ist Geschichte. Was sich dazwischen ereignet, ist folgerichtig, ohne Schuldzuweisungen.
Baumgartner, der den Film als Autofiktion versteht, kennt den Schmerz, den er erzählt. Der Tod einer Schwester bildet den biografischen Resonanzraum. Doch Bagger Drama wird nie sentimental. Der Blick bleibt klar, präzise und konsequent. Maschinen dröhnen, Menschen schweigen. Der Chor singt. Das Private trifft auf das Mechanische, das Absurde auf das Alltägliche.
Und doch: Der Film sucht nicht nur das Dunkle. Er findet auch Momente der Leichtigkeit – komisch, burlesk, überraschend. Zwischen abgehackten Dialogen und dröhnenden Baggern zur Musik von Rio Wolta entstehen Augenblicke, die das Schwere heben, ohne es zu verleugnen. Wenn der Vater laut singt – «Let me find my piece of heaven, let me find my way back home…» – dann ist das mehr als ein Ausbruch. Es ist ein sanfter Akt der Selbstbehauptung.
Die Mutter überlebt einen Suizidversuch, spricht später vom «Klotz», der weg muss – gemeint ist der Betonblock, an dem ihre Tochter starb. Doch dieser Ruf meint mehr als nur einen Ort: Er richtet sich gegen das, was bleibt, was sich festsetzt. Gegen das Schweigen. Gegen den Schmerz, der keinen Namen hat. Der Film bleibt in solchen Momenten offen, vertraut auf das Gespür der Zuschauenden.
Und dann ist da der Hund, der Nadine gehörte – er bellt, stört, passt nicht mehr ins Bild. Als niemand ihn mehr will, bekommt er seine letzte Mahlzeit bei McDonald’s, bevor er bei der Tierärztin eingeschläfert wird. Auch darin liegt eine bittere Komik.
Auch wenn Bagger Drama in seiner Erzählweise stellenweise bricht, auch wenn das Coming-out von Daniel anfangs etwas plakativ gesetzt wirkt – getragen wird alles vom Spiel der drei Hauptdarstellenden Bettina Stucky, Phil Hayes und Vincent Furrer, von der ruhigen Kamera, von kraftvollen Bildkompositionen und Einstellungen, in denen jedes Bild eine Seelenlandschaften bildet. Man verzeiht dem Film seine Unebenheiten, weil das, was gezeigt wird, so genau trifft.
Bagger Drama ist ein anderer Heimatfilm, der keine Versöhnung sucht, sondern Wahrhaftigkeit. Für alle, die mit Familie ringen – und lernen müssen, weiterzuleben, wenn etwas Unumkehrbares geschehen ist. Am Ende steht da ein Satz des Filmemachers im Abspann: «Für alle, die mir Familie sind». Ein Satz wie ein Echo. Still, klar, nachhallend.
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Screenings in Swiss cinema theatres
Info
Bagger Drama | Film | Piet Baumgartner | CH 2024 | 96’ | Solothurner Filmtage 2025, Best Direction and Best Screenplay at Filmfestival Max Ophüls Preis 2025 | CH-Distribution: Filmcoopi
First published: May 01, 2025